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Da hat
vor 90 Jahren ...


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Erst ein paar Monate liegt es zurück,
daß unter den männlichen Mitgliedern
einer DDR-Touristengruppe in Tallinn,
der Hauptstadt der Estnischen SSR,
beim Blick aus den "Intourist"-Busfen-
stern merkliche Unruhe entstand. Ge-
rade von Bord unseres FDGB-Urlauber-
schiffs "Völkerfreundschaft" gekom-
men und zur Stadtrundfahrt gestartet,
erblickten sie hier völlig unerwartet ein
Stück Heimat, das man selbst zu Hause
schon fast nur noch im Eisenacher Au-
tomobilmuseurn besichtigen kann: Ein
EMW340-2, ein Typ, der in den Jahren
1949 bis 1955 am Fuß der Wartburg ge-
baut wurde, umrundete ruhig und ele-
gant den zentralen Ratz der reizvollen
sowjetischen Ostseestadt. Verständlich,
daß er zwischen all den modernen
"Ladas", den "Wolga"- und
"Moskwitsch"-Automobilen für einen
Moment die Blicke mehr auf sich zog
als des neue Hochhaus-Hotel, über das
die Intourista-Reiseführerin gerade
sprach.
"Wie kommt denn der hierher?!" Ver-
mutlich ist der Tallinner EMW, der übri-
gens - wie wir zwei Tage später fest-
stellten - in Riga wenigstens noch ei-
nen "Kollegen" haben muß, schon zu je-
"Wartburg"-Motorwagen 1898

Wartburg Motorwagen 1898

 
 
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Der große Dixi aus dem Jahre 1907

Der große "Dixi" aus dem Jahre 1907
ner Anfangszeit des DDR-Automobil-
baus, als das Eisenacher Werk noch
Zweigbetrieb der SAG (Sowjetische Ak-
tiengesellschaft) "Awtowelo" war, in
- die Sowjetunion gekommen. (Die SAG
hatte nach dem zweiten Weltkrieg über
die in der damaligen Sowjetischen Be-
satzungszone befindlichen Fahrzeug-
werke, die während des Krieges für die
faschistische Rüstung gearbeitet hat-
ten, einstweilen die Verwaltung über-
nommen.)
Für mich, der ich die Tallinner Episode
miterlebte, war sie Anlaß, der Ge-
schichte der Autoproduktion in Eisen-
ach, die sich am 3. Dezember 1986 zum
90. Male jährt, im volkseigenen Eisen-
acher Automobilwerk, das sich - be-
grenzt vom Ufer der Hörsel an seiner
Rückfront und von der Bahnlinie an der
Straßenseite - inmitten der Thüringer
Kreisstadt lang und schmal hinstreckt,
an Ort und Stelle nachzuspüren. Sach-
kundiger und hilfsbereiter Partner bei
diesem Vorhaben war mir Horst Ihling,
bewährter Leiter der Öffentlichkeitsar-
beit des Werks.

Die 100000 sind kein Fernziel mehr

Vor allem in den letzten Jahren haben - 
in Verwirklichung eines Beschlusses
des Politbüros des ZK der SED und des
DDR-Ministerrates zur kurzfristigen Er-
höhung der Produktion von PKWs bei
voller Sicherung der Ersatzteilfertigung
- die Eisenacher Automobilwerker die
"Wartburg"-Produktion ständig gestei-
gert. 1984 z. B. wurden 10000 dieser
Fahrzeuge mehr hergestellt als im Vor-
jahr. Ähnliche Stückzahlsteigerungen
sind in den Folgejahren vorgesehen, so
daß eine Jahresproduktion von 100 000
kein Fernziel mehr ist. Da hat vor 90
Jahren noch keiner dran gedacht, ob-
wohl Wachstumsorientierung, damals
allerdings kapitalistisch motiviert, auch
zu jener Zeit Pate stand.
Anfang Dezember 1896, ein Jahrzehnt
nach der Entwicklung und dem erstmali-
gen Einsatz eines für Fahrzeugantriebe
nutzbaren Verbrennungsmotors, grün-
dete ein Bankenkonsortium unter Vor-
sitz des Geheimen Baurates Ehrhardt,
neben Krupp als zweiter deutscher "Ka-
nonenkönig" bekannt, die Fahrzeugfa-
brik Eisenach AG. Eine Gründung, die
zur international verspäteten Entwick-
lungsgeschichte des deutschen Impe-
rialismus gehörte. Aus dieser Verspä-
tung ergaben sich seine besonders ag-
gressiven Zielstellungen bei der "Neu-
aufteilung der Welt", die ja dann in den

 
 
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ersten und später in den zweiten Welt-
krieg mündeten.
Das Ausgangs des 19. Jahrhunderts in-
dustriell noch nicht erschlossene Eisen-
ach schien dem Ehrhardt-Konsortium
ein profitabler Platz für die Produktion
fahrbaren Heeresgeräts zu sein. Die
Verwirklichung dieses Vorhabens wurde
nicht dadurch beeinträchtigt, daß be-
reits 1898 zwei Modelle von "Wart-
burg"-Motorwagen, das eine mit einem
luftgekühlten dopppelten Einzylindermo-
tor (479 cm³ Hubraum, 3,5-4PS), das
andere mit einem leistungsstärkeren
wassergekühlten Motor, auf die voll-
gummibereiften Kutschenräder gesetzt
wurden. Beweisen doch die späteren Ei-
senacher Entwicklungsjahre nachhaltig
die Tatsache, daß in der kapitalistisch
geprägten Geschichte der technischen
Entwicklung Rüstungs- und Konsumgü-
terproduktion stets zwei aufs engste
miteinander verflochtene Seiten der
Profitmaximierung waren.
Was die ersten "Wartburgs" anbelangt,
so muß man den äußerlich noch voll-
kommen der Pferdekutschenform ent-
sprechenden beiden ersten Eisenacher
Modellen, die ja gewissermaßen ein
Stück Weltpremiere des Serien-Auto-
mobilbaus überhaupt waren, bereits ei-
nen richtungweisenden technischen
Standard bescheinigen. Der leichte
zweisitzige Aufbau war auf einen Stahl-
rohrrahmen montiert und wurde vorn
durch eine Querblattfeder abgefedert.
Hinten hing er in weit nach oben ge-
schwungenen C-Federn. Statt der in je-
ner Zeit noch bestimmenden Drehsche-
mellenkung, verfügten die Vorderräder
bereits über eine Achsschenkellenkung,
die mittels einer senkrecht stehenden
Handkurbel - Vorläufer des Lenkrades
- betätigt wurde. Drei Außenbandbrem-
sen, zwei über Handhebel und eine über
Fußpedal zu betätigen, wirkten auf die
Hinterachse. Das Fahrzeug war damit
durchaus nicht überdimensioniert, denn
der 764-cm³-Motor des Modells 2 mit
seinen 5 PS bei etwa 1000 U/min
brachte das rund 315 kg schwere Ge-
fährt im 1. Gang auf 10, im 2. auf 25 und
im 3. Gang auf stolze 40 km/h, Nicht
minder stolz war übrigens der Preis von
3500 bis 3950 Goldmark, der den Käu-
ferkreis zu einer Zeit, da die Stunden-
löhne im Eisenacher Werk nach Pfenni-
gen bemessen wurden, eindeutig cha-
rakterisierte.

Von der motorisierten Kutsche
zum Automobil


Die technische Progression der ersten
"Wartburg"-Modelle blieb auch in der
Folgezeit für das Werk kennzeichnend.
Das gewährleisteten - vor allem in den
ersten 10 Jahren nach der Jahrhundert-
wende - zwei sehr befähigte Konstruk-
teure, die Ingenieure Seck und Tru-
mann. Mit den ersten "Dixi"-Modellen,
die 1904/05 herauskamen, lösten sich
die Eisenacher konsequent von der bis
dahin vorherrschenden Kutschenform
und machten mit Frontmotor, neuen
Prinzipien der Kraftübertragung und mit
Motoren von 1234 bis 4920 cm³ Hub-
raum sowie entsprechender Leistung
(z.B. "Dixi" S12, 1904: 2815 cm³, 20 PS
bei 1200 U/min, Dreiganggetriebe,
Schneckenlenkung, Holzspeichenräder,
Eigenmasse etwa 900 kg, Höchstge-
schwindigkeit 65 km/h) den erfolg-
reichen Schritt zum wirklichen Automo-
bil. Die Fabrik, die zu diesem Zeitpunkt
ihre erste Erweiterung erfuhr und dazu
überging, alle Zubehörteile, vom Zylin-
derguß über Rahmen und Kühler bis hin
zu den verschiedenen Karosserien,
selbst herzustellen, erzielte mit den
"Dixi"-Modellen in den damals aufkom-
menden großen Tourenwagen-Wettbe-
werben beachtliche Erfolge und expor-
tierte ihre Automobile unter den Mar-
kenzeichen "Regina-Dixi" nach Frank-
reich und "Leander" nach England.
Der große "Dixi" U35 - mit seinen
7320 cm³ und einem Radstand von
3260 mm erreichte er etwa 85 km/h -
leitete sowohl konstruktiv als auch fir-
mengeschichtlich einen neuen Entwick-
lungssbschnitt ein. Er erhielt 1907 als
wichtigste technische Neuheit einen
Kardanantrieb. Diesem Positivum in der
technischen Geschichte steht als histo-
risches Negativum gegenüber, daß ge-
rade auf diesem Typ die Grundkonzep-
tion für die 1907/08 verstärkt begin-
nende Eisenacher Heeres-LKW-Produk-

 
 
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BMW-Sportwagen 328 aus den dreißiger Jahren

BMW-Sportwagen 328 aus den dreißiger Jahren
tion beruhte. Mit dem UO 30 als Vierton-
ner-Heerestyp mit Kettenantrieb, der
von der kaiserlichen deutschen Heeres-
verwaltung subventioniert wurde, be-
trieb das imperialistische Deutschland
seine aggressiven Vorbereitungen für
den verhängnisvollen Marsch in die
Neuaufteilung der Welt, in den ersten
Weltkrieg, der wenige Jahre später, kurz
nach den Schüssen von Sarajevo, be-
gann.
Nicht unbeeinflußt von der Entwicklung
des "Ford"-T-Modells, mit dem in den
USA der konfektionierte Großserien-Au-
tomobilbau eingeleitet wurde, lief 1914
in Eisenach die Entwicklung eines völlig
neuen "Dixi"-Kleinwagens an. Sie
wurde jedoch durch den Kriegsbeginn
gestoppt. Rüstungsproduktion hatte
nun über Jahre am Fuße der Wartburg
Vorrang.

Erste "rote Zelle" im Fahrzeugwerk

Im Ergebnis der politischen Entwicklung
während und nach dem ersten Welt-
krieg, die zur Oktoberrevolution in Ruß-
land, zur Novemberrevolution in
Deutschland und zur Gründung der KPD
führte, wurde sich auch die Eisenacher
Arbeiterklasse, die vor allem im Fahr-
zeugwerk konzentriert war, ihrer histori-
schen Mission mehr und mehr bewußt.
Im Februar 1919 ging von hier der An-
stoß zur Gründung der KPD-Ortsgruppe
Eisenach aus. Diese konzentrierte sich
in den damaligen Klassenkämpfen vor
allem auf den Einfluß im gewerkschaftli-
chen Deutschen Metallarbeiterverband
(DMV) und gewann so schnell breitere
Wirkungsmöglichkeiten. So wurde der
Vorsitzende der KPD-Ortsgruppe, Fritz
Ifland, zum Ersten Bevollmächtigten
des DMV-Ortsverbandes gewählt.
Und die Kommunisten stellten sich
auch an die Spitze der Kampfaktionen,
als im selben Jahr von der Unterneh-
mensleitung Massenentlassungen ange-
kündigt wurden - mit der lapidaren Be-
gründung "Wegfall der Rüstungspro-
duktion". Die Entlassungen wurden ver-
hindert.
Die erste Aussperrung erlebten die Eisen-
acher Fahrzeugbauer im November
1919. Sie war die Antwort der Direktion
auf den im Oktober begonnenen Streik
der Lehrlinge. Die Firmenleitung, die in
diesem Jahr 680 531,07 Mark Reinge-
winn verbuchte, hielt deren Forderun-
gen für "völlig unannehmbar": Anerken-
nung eines Jugendausschusses, Verle-
gung der Berufsschulzeit in die Arbeits-
zeit ohne Lohnabzug, zwei Wochen be-
zahlten Urlaub für jeden Jugendlichen
unter 18 Jahren. (Vom Reingewinn ent-
fielen damals rund 450 000 Mark auf Di-
videnden für die Aktionäre und 119 000
Mark auf Tantiemen und Gratifikationen
an Vorstandsmitglieder und leitende
Angestellte.)
Gleich den Eisenacher Aktionären gab

 
 
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es in der nach dem ersten Weltkrieg be-
stehenden bürgerlich-demokratischen
Weimarer Republik nicht wenige, die
am Blut und Schweiß des Krieges ihren
Profit gemacht hatten. Für sie vor allem
wurden in den ersten Nachkriegsjahren
in Eisenach Autos gebaut - überwie-
gend größere "Dixi"-Typen. Auch drei
LKW-Typen wurden produziert, die be-
reits 1924 zur Ausrüstung der Reichs-
wehr gehörten. Kennzeichnend dafür,
wie das Kapital mehr und mehr zur Kon-
zentration drängte, war 1921 auch der
Zusammenschluß der Gothaer Waggon-
fabrik mit dem Eisenacher Fahrzeug-
werk. Die Dividende kletterte danach
sprunghaft auf 25 Prozent.
Verbunden mit der Verschmelzung der
beiden Werke war auch die Verbindung
des "Dixi"-Markenzeichens mit dem
Symbol des laufenden Zentaurs, des
Pferdemenschen aus der griechischen
Mythologie. Die Leipziger Frühjahrs-
messe 1921 war ein willkommener An-
laß, diese Kapitalhochzeit werbewirk-
sam mit einem großen "Dixi"-Umzug
durch die Messestadt publik zu ma--
chen. Darüber ist der Bericht einer Leip-
ziger Zeitung erhalten geblieben, der -
weil er sich so köstlich liest - in diesem
Versuch, neun Jahrzehnte Eisenacher
Automobilgeschichte nachzuzeichnen,
nicht fehlen darf:
"Ein höchst eigenartiges, an das trojani-
sche Pferd der klassischen Sage erin-
nerndes Zeichen beherrscht diesmal die
durch Umzüge belebten Straßen. Fast
vier Meter hoch zeigt sich der in Stein
gehauene Kentaur, die Handelsmarke
der Dixi-Fahrzeugfabrik Eisenach. Kraft
und Schnelligkeit in seinen stattlichen
Muskeln verkörpernd, zieht er des We-
ges, und es folgen dem langmähnigen
Pferdemenschen eine Reihe von Kraft-
wagen verschiedener Stärken, die unter
diesem Zeichen geschaffen, mit seinen
hervorragenden Eigenschaften begabt
sind. Mit Überzeugung wird für die Güte
und Schönheit dieser Erzeugnisse deut-
scher Industrie eintreten, wer die sich
lohnende Zeit auf die Betrachtung des
Dixi-Zuges verwendet."
Im Gründungsjahr der DDR hatte der neue PKW EMW340 Premiere

EMW 340

 
 
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IFA F9 aus Eisenach

Mit dem IFA F9 wurde erstmals in Eisenach ein PKW mit Zweitaktmotor gebaut
Während in den USA ausgangs der
zwanziger Jahre auf fünf Einwohner ein
Automobil kam (in England 38:1, in
Frankreich 43:1), betrug der Motorisie-
rungsgrad in Deutschland zu jener Zeit
134:1, ein kaum verwunderlicher Fakt,
wenn man davon ausgeht, daß hier zu
dieser Zeit Autos nur als Statussymbol
für die Vermögenden gebaut wurden.
So kostete damals z.B. ein "Adler" 6400
Mark, ein "Audi" 22500 Mark, ein "Mer-
cedes-Benz" 22750 Mark und ein großer
"Maybach" sogar 28000 Mark. Der
"Dixi" war für etwa 3000 Mark zu ha-
ben. Doch selbst das war für eine Arbei-
terfamilie mit knapp 22,- Mark Wo-
cheneinkommen Anfang der dreißiger
Jahre völlig unerschwinglich.
So setzte sich auch in Eisenach mehr
und mehr die Erkenntnis durch, daß
eine weitere Profitsteigerung nur mit ei-
nem in Massenproduktion gefertigten
Fahrzeug, das auch einen erschwingli-
chen Preis aufweist, zu erreichen war.
In großer Eile wurde die technologische
Umrüstung des Werkes, der übrigens
700 Arbeitsplätze zum Opfer fielen, be-
trieben. Und da die eigene Konstruk-
tionsabteilung sich so schnell nicht auf
die Standardisierungsanforderungen
der Großserienfertigung einzustellen
vermochte, erwarb man eine britische
"Austin"-Lizenz, die zum "Dixi"-Klein-
Wagen DA1 umfunktioniert wurde
(743 cm³, 15 PS bei 3000 U/min, luftbe-
reifte Drahtspeichenräder, 70-75 km/h,
6 l/100 km). Vom DA1 wurden allein
1928 rund 9300 Stück gebaut - fast so-
viel Autos, wie in den ersten drei Jahr-
zehnten seit der Werksgründung in Ei-
senach überhaupt. Für die BMW-AG
zweifellos günstig, als sie 1928 das Eisen-
acher Fahrzeugwerk übernahm und
der neue "Dixi" damit zugleich auch das
erste BMW-Automobil wurde.
Die Folgejahre sind geprägt von einer
Entwicklung, wie sie im Werk schon vor
dem ersten Weltkrieg zu beobachten
war. Neben einer technisch immer ver-
sierteren und perfekteren Automobil-
produktion, die sich nicht zuletzt in
höchst erfolgreichen BMW-Rennwa-
gen, gesteuert von erstklassigen Fah-
rern wie Manfred von Brauchitsch,
zeigte, nahm die erneute Kriegsvorbe-
reitung des deutschen Monopolkapitals,
das sich dafür des faschistischen Regi-
mes bediente, in aller Stille immer grö-
ßere Ausmaße an. Weit mehr als die
Hälfte der Eisenacher BMW-Beleg-
schaft war 1933 in sogenannten Spezial-
artikelabteilungen beschäftigt: Laffet-

 
 
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tenbau, Minenwerfer, Sturmgeschütze,
Panzerabwehrkanonen, Gelände-Mann-
schaftswagen. Wöchentlich verließen
30 bis 50 Geschütze das Werk, später
kamen noch Flugmotorenteile, kom-
plette Flugmotoren, Panzerplatten und
Panzerteile dazu - die Kehrseite glän-
zender technischer Automobilentwick-
lung unter kapitalistischen Produktions-
verhältnissen.
Und auch dies gehört zu dieser Kehr-
seite: Gearbeitet wurde während des
zweiten Weltkriegs bei BMW 8,5 bis
10,5 Stunden an sechs Tagen in der Wo-
che. Der durchschnittliche Stundenlohn
lag für Facharbeiter bei 1 Reichsmark,
für Ungelernte bei 0,65 RM - ausge-
nommen natürlich die fast 5000 "Fremd-
arbeiter", Kriegsgefangenen und KZ-
Häftlinge. Das BMW-Grundkapital stieg
auf diese Weise von 15 Millionen RM im
Jahre 1939 auf 200 Millionen RM im
Jahr 1944 bei einer regelmäßig ausge-
schütteten Dividende von 8 Prozent.
Statt Demontage Neubeginn
für die Zukunft


Mai 1945. Das Werk ist zu 65 bis 70 Pro-
zent zerstört und durch Verlagerungen
von seinen Produktionsmitteln entblößt.
Der Krieg hat die besten Facharbeiter
verschlungen. Bis zum Juli verbleibt Ei-
senach unter USA-Besatzung. Der
BMW-Direktor, Wehrwirtschaftsführer
Fattler, genießt die volle Sympathie der
Besatzer. Nicht so die illegal gegrün-
dete KPD-Betriebsgruppe und der von
ihr gebildete Arbeiterausschuß. Ihre Be-
mühungen um Aufräumungsarbeiten
und Produktionsaufnahme werden mit
allen Mitteln behindert, bis - entspre-
chend dem Potsdamer Abkommen - im
Juli 1945 sowjetische Soldaten in Eisen-
ach einrücken.
Im Oktober 1945 werden die ersten zehn
PKWs des zweitürigen Vorkriegsmo-
dells 321 (Sechszylinder-Viertaktmotor,
1971 cm³, 45 PS bei 3750 U/min,
115 km/h, 6-V-Elektrik) sowie 20 Motor-
Mit dem 1,5-Liter-EMW-Rennsportwagen wurde 1954 auf der Autobahn bei Dessau
ein Weltrekord gefahren


1,5-Liter EMW-Rokordwagen

 
 
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Wartburg 353

Der "Wartburg" 353 aus Eisenach
räder des bekannten Typs R 35 herge-
stellt. Die SMAD (Sowjetische Militär-
administration in Deutschland) hatte
den ursprünglich für den BMW-Rü-
tungsbetrieb erlassenen Demontage-
befehl aufgehoben und mit dem SMAD-
Befehl Nr. 93 gewissermaßen die Ge-
burtsurkunde für den Neubeginn der
Automobilproduktion in Eisenach aus-
gestellt.
Nachdem am 15. September 1946 das
Eisenacher Werk als Teilbetrieb in die
SAG "Awtowelo" eingegliedert worden
war, vollzog sich eine für die damaligen
Verhältnisse schnelle Entwicklung.
(Muß man doch berücksichtigen, daß
der Krieg die internationale PKW-Pro-
duktion weitgehend gelähmt und die eu-
ropäische auch stark dezimiert hatte.
So wurden in Eisenach 1948 bereits wie-
der 2398 PKWs und 2957 Motorräder
gebaut. Parallel dazu liefen die Entwick-
lungsarbeiten an einem neuen Modell,
eben jenem EMW 340-2, von dem ein-
gangs dieser Betrachtung die Rede war
und der im Gründungsjahr der DDR Pro-
duktionspremiere hatte. Die vom Krieg
verursachten Schäden waren im Werk
zu jener Zeit fast vollständig beseitigt,
so daß der repräsentative Sechszylinder
typisch Eisenacher Bauart (1971 cm³,
55 PS bei 3750 U/min, Radstand
2884 mm, 120 km/h, 11,5 l/100 km) bis
1955 in beachtlicher Serie hergestellt
werden konnte.
Mitte des Jahres 1952 wurde das voll
produzierende Werk von der Sowjet-
union an die DDR übergeben und zum
VEB Automobilwerk Eisenach (AWE)
umbenannt. Zu jener Zeit setzten in der
DDR auch die ersten grundsätzlichen
Überlegungen für ein eigenes Automo-
bilbaukonzept ein. Die seit der Werks-
gründung in Eisenach 1896 dominie-
rende Linie - mit Ausnahme des
"Dixi" DA-1 -, größere, repräsentative
Modelle zu bauen, konnte entsprechend
den neuen gesellschaftlichen Verhält-
nissen im deutschen Arbeiter-und-Bau-
ern-Staat nicht konzeptionsbestimmend
sein. Und so wurde dem AWE zunächst
die Produktion des IFA F9, des ersten
PKW mit Zweitaktmotor in der Werks-
geschichte, übertragen. Sein Entwurf

 
 
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stammte noch aus der Vorkriegszeit -
von Audi in Zwickau.
Die Eisenacher Facharbeiter und Inge-
nieure, obwohl voller Stolz auf ihre
großvolumigen Sechszylinder, "verkraf-
teten" diese Umstellung auf den
900-cm³-Zweitakter mit der ihnen eige-
nen Konsequenz, jeder Sache ihren spe-
zifischen, schöpferischen Stempel auf-
zudrücken. Und während der F9-Motor
mit seinen 28 PS noch auf 32 PS hoch-
gepäppelt, die Stockschaltung durch
eine Lenkradschaltung abgelöst und
statt Fallbenzin eine Kraftstoffpumpe
eingebaut wurde, um nur einige der
konstruktiven Verbesserungen zu nen-
nen, waren die Konstrukteure schon da-
bei, aus dem "Fremdling" wieder ein ei-
genes Eisenacher Auto zu machen. Das
stellte sich dann als Typ 311 zum ersten
Male mit dem Markennamen "Wart-
burg" auf der Leipziger Frühjahrsmesse
1956 vor, genau 35 Jahre nach jener
denkwürdigen journalistischen Be-
schreibung des zwar mysteriösen, doch
werbewirksamen "Dixi"-Umzugs am
selben Ort.
"Wartburg" im Wandel

Über den "Wartburg" 311 (Dreizylinder-
Zweitaktmotor, zuerst mit 900 cm³, dann
mit 991 cm³, 27,2 kW (37 PS) bei
4200 U/min, Radstand 2450 mm,
125 km/h, 8,7 l/100 km, 6-V-Elektrik),
das erste moderne DDR-Mittelklasse-
Automobil, das bis 1966 als Limousine,
Kabriolet, Coupé, Campingwagen,
Sportwagen, Pick-up und Kombiwagen
gebaut wurde, hier viele Worte zu ver-
lieren, erübrigt sich. Allein die Tatsache,
daß der 311 noch heute so manchem
Besitzer gute Dienste leistet, ist Kom-
mentar genug.
Auch hier wieder wird in der weiteren
Entwicklung des Werkes der Eisenacher
Wahlspruch deutlich: Was gut ist, kann
noch besser werden. Mit der Leistungs-
steigerung des "Wartburg" 1000, wie
der 311 später hieß, auf 29,4 kW (40 PS)
und dann auf 33,1 kW (45 PS), der stän-
digen technischen sowie Ausstattungs-
verbesserung gingen bereits die Überle-
gungen für ein neues Modell einher.
Dieses neue Modell, das vor nunmehr
rund zwei Jahrzehnten in die Serie ging,
Neu auf den Straßen: der "Wartburg"-Trans

Wartburg-Trans

 
 
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Taktstraße beim 353-Karosseriebau

Taktstraße im Karosseriebau
 
 
 
Auf dem Endabnahmeprüfstand: Überprüfung der Bremsanlage

Bremsenprüfung

 
 
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Immer wieder erfolgreich:
der "Wartburg" auf den
großen Rallye-Pisten
des Kontinents

353 im Rallye-Einsatz

 
 
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der "Wartburg" 353, erschien interes-
santerweise 1965 zuerst als "Wartburg"
312/1 mit neuem Fahrgestell, mit
Schraubenfederung und 311er Karosse-
rie. Seit seinem Erscheinen 1966 ständig
weiterentwickelt und in zahlreichen De-
tails verbessert, erfreut sich der 353er
"Wartburg" als unkomplizierter, lei-
stungsfähiger und außerordentlich fahr-
sicherer Zweitakter mit der zeitlos mo-
dernen, geräumigen Pontonkarosserie
und der reparatur- wie wartungsfreund-
lichen Bauart hierzulande und weit über
unsere Landesgrenzen hinaus einer
weitgespannten, ungebrochenen Be-
liebtheit.
Diese für die Eisenacher Automobil-
bauer durchaus angenehme Tatsache
verbindet sich jedoch zugleich mit ei-
nem höchst mißlichen Umstand. Die
schon eingangs geschilderte Lage des
Werkes zwischen Hörsel und Bahn-
damm, mitten in der Stadt, setzt den
Bemühungen, dieser Beliebtheit auch
mit entsprechendem Produktionsum-
fang immer besser gerecht zu werden,
ziemlich enge räumliche Grenzen. Ob-
wohl Intensivierung und Rationalisie-
rung - in jüngster Zeit vor allem auch
mit Hilfe von Industrierobotern und Ver-
kettungseinrichtungen aus dem lei-
stungsfähigen eigenen Rationalisie-
rungsmittelbau - im AWE schon lange
Grundlage jeder Produktionssteigerung
ist, können bei weitem nicht alle Käufer-
wünsche erfüllt werden. Zu den wichtig-
sten Investitionen der letzten Jahre ge-
hörte darum 1979/80 der Neubau eines
Pressenwerkes für Karosserieteile in Ei-
senach-West.
Mit dem bereits erwähnten Beschluß
des Politbüros des ZK der SED und des
DDR-Ministerrates kurz vor Vollendung
des neunten Jahrzehnts Eisenacher Au-
tomobilbaus wurden dem volkseigenen
Automobilwerk Eisenach als Produzent
eines begehrten hochwertigen Konsum-
gutes neue Entwicklungsperspektiven er-
öffnet. Noch vor Jahren kaum zu träumen
gewagte Produktionsstückzahlen sind,
wie weiter vorn bereits genannt, heute
Realität. Die sozialistische Planwirt-
schaft ermöglichte es, den Eisenacher
Automobilbauern auf dem Weg zu hö-
heren Stückzahlen neue Partner an die
Seite zu stellen. So wurde der ehema-
lige VEB Lufttechnische Anlagen Gotha,
heute VEB Kraftfahrzeugwerk "Dr.
Theodor Neubauer", zum Hersteller der
kompletten Rahmenbaugruppe, die als
fertiges Fahrwerk mit montiertem Trieb-
satz nach Eisenach geliefert wird.
Welch ein anderer Charakter der Part-
nerschaft mit einem Gothaer Betrieb als
im Jahr 1921!
Auch die Eisenhüttenstädter Metallur-
gen sind mit einer Produktionslinie für
Kotflügel, die noch auf weitere Karosse-
rieteile ausgedehnt wird, an der Eisen-
acher Perspektive beteiligt. Und mit ih-
nen viele weitere volkseigene Betriebe
unseres Landes: Im Kali-Kombinat Süd-
harz, Werk Sondershausen, werden z.B.
Türen gefertigt, im VEB "Möve"-Werk
in Mühlhausen die Sitze usw.
Interessant ist übrigens in diesem Zu-
sammenhang, wie unter sozialistischen
Produktionsverhältnissen die Produk-
tion eines hochwertigen technischen
Konsumgutes, wie es das Automobil ja
ist, auch solchen vom technologischen
Strukturwandel berührten Industrie-
zweigen wie der Metallurgie und dem
Kali-Bergbau neue langfristige Perspekti-
ven eröffnet und in diesen Bereichen
interessante, anspruchsvolle Arbeits-
plätze gesichert werden.
Heute, in der Zeit des soliden Wachs-
tums des Eisenacher Automobilwerks
wie unseres Automobilbaus überhaupt,
bereits die weitergesteckten Perspekti-
ven des "Wartburg" näher umreißen zu
wollen, wäre noch verfrüht. Doch das
zur Leipziger Herbstmesse 1984 vorge-
stellte 85er "Änderungspaket", wie die
Eisenacher Fachleute sagen, läßt un-
schwer erkennen:
Der "Wartburg" von heute ist mit Si-
cherheit noch längst nicht das letzte Ei-
senacher Modell. Konstruktive Verände-
rungen wie der nach vorn verlegte Alu-
miniumkühler und der damit entfallende
Dauerbetrieb des Kühlluftgebläses so-
wie die andersgestaltete Frontpartie
sind dafür - ähnlich wie das 1965 mit
dem 312er Modell der Fall war - untrüg-
liche Anzeichen.

Wolfgang Schuenke